Der Karlspreis 2022 geht an die belarussischen Bürgerrechtlerinnen Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo 

  • Das Karlspreis-Direktorium ehrt diese drei „starken und furchtlosen Frauen“ in Würdigung ihres mutigen und ermutigenden Einsatzes gegen die brutale staatliche Willkür, Folter, Unterdrückung und die Verletzung elementarer Menschenrechte durch ein autoritäres Regime, für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.
  • Mit der Preisvergabe ist das Signal an eine ermüdende europäische Gesellschaft verbunden, wieder überzeugt und kämpferisch für die europäischen Werte einzutreten.
  • Die Preisverleihung wird am Himmelfahrtstag, 26. Mai 2022, wie gewohnt im Krönungssaal des Aachener Rathauses stattfinden.

Die belarussischen Bürgerrechtlerinnen Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo werden im Jahr 2022 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet. Das gaben der Vorsitzende des Direktoriums der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen, Dr. Jürgen Linden, und die Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen am heutigen Tag (17. Dezember 2021) in Aachen bekannt.

„Dies wird ein Karlspreis, wie er in der 71-jährigen Geschichte des Preises noch nicht vorgekommen ist“, eröffnet Dr. Jürgen Linden. „Ihr mutiger und ermutigender Einsatz gegen die brutale staatliche Willkür, Folter, Unterdrückung und die Verletzung elementarer Menschenrechte durch ein autoritäres Regime, für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit hat das gesamte Karlspreisdirektorium zutiefst beeindruckt. Die drei Leitfiguren der demokratischen belarussischen Opposition sind Symbole für den Geist der Freiheit. Ihre Botschaften sind aufrüttelnd, ihre Opfer beispiellos. Sie sind das Signal an die eigene belarussische Gesellschaft, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.“ In einer ersten Reaktion hatten alle drei designierten Karlspreisträgerinnen dem Direktoriumsvorsitzenden Linden erklärt, sich geehrt zu fühlen und vor allem auf eine weitergehende Unterstützung in ihrem Kampf für Demokratie und Menschenrechte in Belarus zu hoffen.  

In der Begründung des Karlspreisdirektoriums heißt es unter anderem: „Während sich innerhalb der EU eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der politischen Dimension des europäischen Projekts Bahn gebrochen hat, tritt gerade an den Außengrenzen der Union die brüchige Kostbarkeit unserer Friedens- und Freiheitsordnung zutage.“ Und: „Seit dem vergangenen Jahr sind auch in Belarus die Stimmen der Demokratie, der Freiheit und des Rechts immer vernehmbarer geworden: erst einige, dann tausende, dann zehn-, dann hunderttausende. Und es sind vor allem drei mutige Frauen, die der Verfolgung und den Repressionen zum Trotz diesen Stimmen Gesicht gegeben haben und geben.“

Ermutigendes Vorbild

Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen ging weiter auf die besondere Rolle der Preisträgerinnen ein und unterstrich die Begründung mit der Aussage: „Die belarussischen Frauen setzen sich ohne „wenn und aber“ für demokratische Grundwerte in ihrem Land ein. Gemeinsam ist es ihnen gelungen, den Widerstand im Land zu einen. Als Querwechslerinnen in die Politik führen sie den Kampf ihrer inhaftierten oder emigrierten Partner kompromisslos fort. Mit ihrem Einsatz sind sie ein ermutigendes Vorbild für viele junge Frauen und Männer in Europa. Es sind Heldinnen der Jetzt-Zeit, Heldinnen des politischen Kampfes. Vorbehaltlos und unbeugsam mischen sie sich ein und sind somit zu Leitfiguren einer wirkungsvollen Protestbewegung gegen staatliche Willkür und für Demokratie und Meinungsfreiheit geworden.“Im Rahmen der Präsidentschaftswahlen 2020 gelingt, so die Begründung des Karlspreisdirektoriums, Swetlana Tichanowskaja gemeinsam mit Maria Kalesnikava und Veronica Tsepkalo, was der belarussischen Opposition über Jahrzehnte gefehlt hat: eine Bündelung der Kräfte. „Unter Hintanstellung vorangegangener Rivalitäten und politischer Unterschiede und unter Einbeziehung auch kleinerer Parteien und Gewerkschaften, die ihre Expertise und Ressourcen einbringen, bilden die drei so unterschiedlichen Frauen ein Bündnis, das vor allem ein großes Ziel eint: die Überwindung von Diktatur und Totalitarismus und ein demokratischer Aufbruch in Belarus.“

Faust, Herz und Victory-Zeichen stehen für den Aufbruch

Ihr Markenzeichen – Faust, Herz und zum „Victory“ gespreizte Finger – wird in Belarus für viele Menschen zum Zeichen des Aufbruchs. Die drei Bürgerrechtlerinnen werden massiv bedroht und setzen ihren Wahlkampf dennoch unbeirrt fort. Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo gehen schließlich ins Exil, um Repressionen und Verhaftung zu entgehen. Maria Kalesnikava weigert sich, Belarus zu verlassen, wird inhaftiert und wegen angeblicher Vorbereitung eines Komplotts zur illegalen Machtergreifung und Gefährdung der nationalen Sicherheit zu elf Jahren Haft verurteilt.Final hält das Direktorium fest: Mit Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo werden im Jahr 2022 drei mutige Frauen geehrt, die „unter schwierigsten politischen Bedingungen, unter Einsatz ihrer persönlichen Freiheit und Unversehrtheit, dem Diktator von Belarus die Stirn geboten haben; drei herausragende Persönlichkeiten, die für das eintreten, was den Kern des europäischen Projektes ausmacht: Menschenrechte, Frieden und Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Solidarität“. Mit ihrem entschiedenen und furchtlosen Einsatz sind die drei Bürgerrechtlerinnen zu einem wichtigen Vorbild für den demokratischen Freiheitskampf nicht nur für hunderttausende Landsleute, sondern weit über die belarussische Grenze hinaus geworden.

Aufruf zu einem stärkeren Engagement für die Menschen in Belarus

Im Pressegespräch stellten Sibylle Keupen und Dr. Jürgen Linden auch ein gemeinsames Schreiben vor, mit dem sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock zur Karlspreisverleihung nach Aachen einladen werden. Hier heißt es unter anderem: „Wir würden uns freuen, wenn Sie durch Ihre Anwesenheit bei der Preisverleihung gemeinsam mit den Preisträgerinnen und einer großen pro-aktiven europäischen Öffentlichkeit ein weithin sichtbares Zeichen für die Unverbrüchlichkeit unserer Werteordnung, damit auch gegen Diktatur, Unterdrückung, Folter und die Verletzung der Menschenrechte setzen würden.“

Dieser Aufruf wird im Januar auch an die Entscheidungsträger des EU-Parlamentes, der Europäischen Kommission, des Europäisches Rates sowie an die ehemaligen Karlspreisträger*innen gehen.

Info zum Karlspreis

Die drei belarussischen Bürgerrechtlerinnen Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo werden die Trägerinnen des 63. Internationalen Karlspreises zu Aachen sein. Im Jahr 2019 wurde der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres und im Jahr 2020/21 der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis mit dem Preis ausgezeichnet. Der Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als einer der bedeutendsten europäischen Preise. Er wird seit 1950 an Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern gehörten unter anderem Konrad Adenauer (1954), die Europäische Kommission (1969), der spanische König Juan Carlos I. (1982), Francois Mitterand und Helmut Kohl (1988), Václav Havel (1991), Königin Beatrix der Niederlande (1996), der amerikanische Präsident Bill Clinton (2000), der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker (2006), Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008), Jean-Claude Trichet (2011) oder Martin Schulz (2015), damals Präsident des Europäischen Parlaments. 2016 ging der Karlspreis an Papst Franziskus, im Jahr 2018 folgte der Staatspräsident Emmanuel Macron. Im März 2004 erhielt Papst Johannes Paul II. einen außerordentlichen Karlspreis, der in Rom verliehen wurde. Die Preisverleihung wird am Himmelfahrtstag, 26. Mai 2022, wie gewohnt im Krönungssaal des Aachener Rathauses stattfinden.

Urkunde und Medaille

Verliehen wird neben einer Urkunde auch eine Medaille, die auf der Vorderseite das älteste Aachener Stadtsiegel aus dem 12. Jahrhundert mit thronendem Karl dem Großen und auf der Rückseite eine Inschrift für den jeweiligen Preisträger zeigt.

Foto © TOP AACHEN