Kunst open air, im öffentlichen Raum, das bietet sich in der Corona-Zeit sehr gut an. Ohne große Vorankündigung war der Maler, Bildhauer und Autor Dennis Josef Meseg jetzt schon zum zweiten Mal nach Anfang Oktober auf dem Aachener Münsterplatz zu Gast. Auf Werbung im großen Stil wird bewusst verzichtet, damit es nicht zu größeren Menschenansammlungen kommt. So staunten die Passanten, als sie die orangen Puppen erblickten, und schauten sich interessiert um.

Die Installation „Broken“ aus 222 weiblichen Schaufensterfiguren war Teil der „Orange Days“ und soll auf Frauen aufmerksam machen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Denn mindestens jede dritte Frau wird, laut Weltgesundheitsorganisation, in ihrem Leben einmal Opfer von Gewalt.
Laut Bundeskriminalamt gab es 2019 mehr als 141.000 Opfer von Partnerschaftsgewalt – 81 Prozent davon sind Frauen. Bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen in Partnerschaften sind die Opfer zu 98,1 Prozent weiblich. Viele Organisationen vermuten, dass die häusliche Gewalt an Frauen durch die Corona-Pandemie weiter zunimmt. So ist zum Beispiel die Anrufanzahl beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ seit der Pandemie gestiegen.

Der Kölner Künstler Dennis Josef Meseg weiß: Es gibt wenige rote Fäden, die sich so zerreißfest durch die gesamte Menschheitsgeschichte ziehen wie die physische und psychische Gewalt gegen Frauen und Mädchen.

Kein Krieg, dessen Sieger nicht die Frauen der Verlierer verschleppt, vergewaltigt und ermordet hätten. Keine Religion, die Frauen nicht als Wurzel allen Übels einstuft oder zumindest als dem Manne unterlegen. Kein Gesetz, das die Gleichstellung der Frauen in allen Lebensbereichen, ohne Wenn und Aber, befiehlt. Frauen kennen die Dämonen in der Tiefe des Abgrundes, der die Gesellschaft noch immer spaltet. Frauen – und Künstler. Denn Künstler wollen nicht töten, verstümmeln oder beherrschen. Sie wollen etwas erschaffen, das gut ist. Das der Welt keinen Schaden zufügt, sondern Freude bereitet. Oder eine Botschaft transportiert, wie die Installation „Broken“ von Dennis Josef Meseg.

Er möchte ein Zeichen setzen gegen Gewalt an Frauen, und die originelle Umsetzung seiner Gedanken in ein Kunstwerk ist weit tiefgründiger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Schaufensterpuppen und oranges Flatterband. Eine Kombination dreier Symbole, denen einzeln betrachtet eine vertraute, klare Deutung zukommt. Flatterband zum Beispiel ist ein Zeichen für Abgrenzung, im positiven Sinne als Schutz vor Gefahren, aber auch als Hindernis auf dem Weg zueinander. Und „Puppe“ oder „Püppchen“ – wie oft hat man diese Bezeichnungen nicht schon gehört? Doch was nach einem Kosewort klingt, zeugt in Wahrheit von Geringschätzung: Frauen werden auf ihr Äußeres reduziert, auf ein Spielzeug ohne Verstand. Oft auch noch zwangsweise verhüllt oder anderweitig versteckt wie ein eifersüchtig bewachtes Stück Eigentum.

Orange wiederum ist die Farbe der Freiheit, der Freude und Geborgenheit, der emotionalen Wärme. Deshalb hat die alljährlich von UN Women durchgeführte Kampagne „Orange the World“ eben diese Farbe für ihren Feldzug gegen das unausgesetzte, vielfältige Leid der Frauen erwählt. Und wie erschütternd ist es, dass das Flatterband, das die „Frauen“ in Dennis Josef Mesegs Installation verhüllt, unkenntlich macht und von der Außenwelt abschneidet, die Farbe der Freiheit trägt!

„Broken ist als Aufruf zu verstehen, die Gewalt gegen Frauen endlich zu beenden. Männer des 21. Jahrhunderts können sehr wohl zu der Einsicht gelangen, dass ihre Mütter, Frauen und Töchter genauso wertvoll sind wie sie selber, und die gleiche Achtung verdienen. Das sollte ihr Ziel sein – der Beitrag zu einer besseren Welt, basierend auf Liebe, Herzblut und Geduld. Wie Künstler sie empfinden für ihre Werke. Und Frauen für ihre Kinder“, betont Dennis Josef Meseg.

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