Facettenreiche Werke auf Facebook und Instagram

In Corona-Zeiten kommt die Kunstpause aus dem Suermondt Ludwig Museum digital nach Hause. Jeweils dienstags um 13 Uhr wird auf Facebook unter https://www.facebook.com/suermondtludwig/
und Instagram unter @suermondtludwig ein Video online gestellt. Darin erklären die Kuratoren Sarvenaz Ayooghi, Wibke Birth, Dr. Dagmar Preising und Michael Rief in rund drei Minuten erstaunliche Werke aus der Sammlung des Hauses.

Dienstag, 20. Oktober: „Spanische Truhe“, Anfang 16. Jh.
Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Karls V. im Centre Charlemagne gehen wir zurück in die Zeit der Habsburger, wo Truhen noch vielfältige Funktionen übernahmen, mit prunkvollen Schätzen gefüllt waren und als Reisegepäck unsere heute üblichen Koffer ersetzen.
Mit Michael Rief

Dienstag, 27. Oktober: Cornelis Bega, „Besuch bei einer Bauernfamilie“, 1663
Er war jung – brauchte das Geld aber nicht. Der aus gutem Hause stammende Haarlemer Künstler Cornelis Bega konnte sich den Luxus leisten zu malen ohne am Hungertuch zu nagen. Sein Interesse galt überwiegend den Menschen der unteren Bevölkerungsschicht, die er mit viel Empathie und Feingefühl in seinen Werken darstellte, wie auch beim „Besuch einer Bauernfamilie“.
Mit Sarvenaz Ayooghi

Dienstag, 03. November: Versuchung des Hl. Antonius, um 1510, Nordniederlande
Das Eichenholzrelief zeigt den Eremiten Antonius, der vor seiner Klause in einem Wald sitzt und von zahlreichen Ungeheuern bedroht wird, einem Schuppentier, einem Drachen mit herabhängenden weiblichen Brüsten, einem krallenfüßigen Wesen in Mönchskleidung. Der mittelalterliche Bildschnitzer, der aus den Nordniederlanden stammt, stellt die inneren Versuchungen des Hl. Antonius als von außen auf diesen einwirkende, ungeheuerliche Mischwesen dar. Dieses Thema, das in der Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts häufiger vorkommt, ist in der mittelalterlichen Skulptur selten anzutreffen.
Mit Dr. Dagmar Preising

Dienstag, 10. November: Ars bene moriendi, um 1475, Meister des Sinziger Kalvarienberges
Ars bene moriendi – Die Kunst des guten Sterbens ist ein mittelalterliches Thema, das häufiger in der Graphik und nur seltener in der Tafelmalerei Darstellung fand. Der Sterbende liegt in einem großen Baldachinbett und seine Seele in Gestalt eines kleinen Menschleins entweicht seinem Mund. Maria tritt als seine Fürbitterin auf, die wiederum auf Christus verweist, der seinerseits als Fürbitter vor Gott auftritt. Die Angst vor dem Tod war im Mittelalter stark ausgeprägt, so dass man sich durch Gebet und innere Einkehr auf ein gutes Sterben vorzubereiten hatte, um den Höllenqualen zu entgehen. Auch Bilder dienten zur Einstimmung auf einen guten Tod.
Mit Dr. Dagmar Preising

Dienstag, 17. November: Verkündigung an Maria, Werkstatt des Hans Leinberger, um 1516/18
Dieses Medaillon mit der expressiv gestalteten Verkündigung an Maria war Teil eines großen, im Kirchenraum der Landshuter Marienkirche frei hängenden Rosenkranzbildes. Dieses bestand aus einer Madonna im Strahlenkranz, die umgeben war von mehreren Medaillons, darunter auch das Aachener Stück. Es handelte sich somit um den freudenreichen Rosenkranz Mariens. An dem Relief selbst findet sich, abgesehen von der Rundform, noch ein weiterer Hinweis auf das Rosenkranzmotiv. Eine Perlschnur umgibt die Szenerie, wobei es sich bei den Rundperlen um Ave Maria-Perlen, bei den länglichen um Paternoster-Perlen eines Rosenkranzes handelt.
Mit Dr. Dagmar Preising

Dienstag, 24. November: Paulus Janszoon Moreelse: Mädchen mit Fächer
Ein Mädchen, das aussieht wie eine kleine Erwachsene und in Wirklichkeit erst zweieinhalb Jahre alt ist: Perfekt gestylt, trägt sie ein weißes Damastkleid mit einem kostbaren Spitzenkragen. Oder sollte man sagen, das Kleid trägt sie? Der Kontrast zwischen dem lebendig gemalten Köpfchen und dem steifen Körper könnte nicht größer sein. Man vermutet, dass die Gesellen von Meister Moreelse Kleid und Hintergrund gemalt haben.
Mit Wibke Birth

Dienstag, 1. Dezember: Betende Maria, Giovanni Battista Salvi, gen. Il Sassoferrato
Mamma mia! Der italienische Barockmaler Giovanni Battista Salvi, der sich nach seinem Geburtsort Sassoferrato benannte, malte fast ausschließlich Madonnen in zig Varianten. Mal spiegelverkehrt, mal in kleinerem oder größerem Format in strahlenden Farben und in bühnenhafter Dramatik in Mimik und Gestik. Hunderte von diesen Madonnendarstellungen hat er produziert und damit die große Nachfrage nach derartigen Bildern in der italienischen Gegenreformation bedient.
Mit Sarvenaz Ayooghi

Dienstag, 8. Dezember: Kinderschlitten („Post-Schlitten“), deutsch oder niederländisch, wohl um 1780-1800, Holz, Eisenblech, Zug.Inv.Nr. 1956/23
Auf der Außenseite des Rückenteils ist als Dekoration ein Reiter in der Tracht des 17. oder beginnenden 18. Jahrhunderts in Relief wiedergegeben. Mit modischem großem Hut mit Federbesatz sitzt er auf einem steigenden Pferd. Darunter weisen die aufgenagelten Blechbuchstaben „D….POST…. [letzter Buchstabe verloren]“ auf die Funktion des Dargestellten, nämlich die eines Postreiters hin. Gut kann man sich vorstellen, wie der Schlitten, von einem vor Kälte rotbackigem Kind besetzt, zu dessen großem Vergnügen von erwachsenen Schlittschuhläufern oder seinen älteren Geschwistern über das Eis der zugefrorenen Grachten gezogen wurde. Je schneller, desto aufregender….
Mit Michael Rief

Dienstag, 15. Dezember: Hühnerhof, Adriaen van Utrecht
Es könnte alles so friedlich sein – und so langweilig. Der Maler Adriaen van Utrecht zeigt aus naher Perspektive den Blick in einem Hühnerhof.
Friedlich picken die Hühner, doch die Idylle trügt, denn im Bild versteckt sich ein Indiz, dass sich die harmonische Szenerie schon bald verändern wird.
Mit Wibke Birth

Dienstag, 22. Dezember: „Alleinerziehender Josef“
Auf der strohbefüllten kastenförmigen Futterkrippe in der Reliefmitte ist ein Tuch gebreitet, auf dem das nackte Christkind liegt. Dahinter und rechts davon betätigen sich sechs kleine Engel als „Babysitter“, deren ursprüngliche Tätigkeit aufgrund des Verlustes von Armen und Händen eine Geheimnis bleiben wird (singen sie den Säugling in den Schlaf?) und heute v.a. in der verzückten und wohlgefälligen Betrachtung des Neugeborenen besteht. Rechts, ein wenig nach hinten versetzt, steht Josef, der Ziehvater des kleinen Jesus. Vor der Krippe ist ein großer geflochtener Deckelkorb platziert, über dessen Rand eine Windel heraushängt, rechts in der Ecke erhebt sich eine Kochstelle, auf der eine (heute fragmentierte) Pfanne mit Brei steht, den Josef zubereitet hat. Aber Säuglinge können gar keinen Brei essen, das weiß doch jedes Kind! Resultiert dieser ernährungstechnische Irrtum aus der Unbeholfenheit des Nährvaters? Nein, die Breipfanne gehört seit dem frühen 14. Jahrhundert oft zu den Ausschmückungen der Weihnachtsgeschichte. Hiermit soll die Fürsorge und Liebe dargestellt werden, mit der Josef seinem Ziehsohn begegnete. Maria, Mutter des kleinen Knaben, ist tatsächlich verschwunden. Aber sicher nicht freiwillig: Die ehemals vorhandene, links vorne kniende Muttergottes-Figur ist im Laufe der Zeit abgebrochen oder wurde im 19. Jahrhundert von einem gewissenlosen Kunsthändler abgetrennt, um zwei Skulpturen gewinnbringender zu verkaufen!
Mit Michael Rief

Dienstag, 29. Dezember: Schreinsreliquiar/Reliquienkästchen
Holz, Kupferplatten, vergoldet, farbiges Email (in Grubenschmelztechnik)
Limoges, 1. Hälfte 13. Jahrhundert
Schenkung Peter und Irene Ludwig, Aachen, 1977
Inv.Nr. KK 950

Die Kunsthandwerker in der südfranzösischen Stadt Limoges hatten sich im Mittelalter auf die Herstellung von hochqualitativen Geräten für die Heilige Messe spezialisiert. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts produzierten die dortigen Werkstätten Hostienbehälter in Form von Dosen oder Heiliggeisttauben, Weihrauchschiffchen, Altarkreuzen, Handwaschbecken, Kerzenleuchtern usw., die in ganz Europa Verbreitung fanden. Zum Sortiment gehörten auch Reliquienkästchen. In diesen wurden die als heilsbringend angesehenen kostbaren Überreste (z.B. Knöchelchen) von einem oder mehreren Heiligen verwahrt. Wessen Überbleibsel im Inneren unseres Schreinsreliquiars enthalten waren, verraten uns zwei Szenen aus dem Leben des englischen Nationalheiligen Thomas Becket (1118-1170) auf der breiten Schauseite: Seine Ermordung am 29.12. 1170 am Altar durch gedungene Mörder, während er die Messe zelebriert, und darüber auf der Dachschräge seine Grablegung. Der bedeutende Lordkanzler und Erzbischof von Canterbury war beim englischen König Heinrich II., mit dem er früher Buddy-eng befreundet war, aufgrund von Kontroversen in Ungnade gefallen. Heinrich ließ ihn kurzerhand nach dessen Rückkehr aus dem französischen Exil beseitigen. Der Heilige war offensichtlich so beliebt, dass wohl v.a. in England eine reiche Nachfrage nach solchen hausartigen Kleinbehältnissen für seine Reliquien bestand. Heute sind noch etwa 40 Exemplare bekannt. Mit Blick auf den unvermeidbaren, bald herannahenden Brexit: Das Reliquiar hat ein französisches Chassis und ein (ehemals) britisches Innenleben. Es bleibt uns als englischer Kulturbotschafter auf dem Kontinent erhalten!
Mit Michael Rief

Foto © TOP AACHEN