Hintergründe vom Branchenkenner PH Immobiliengesellschaft in Aachen

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft sind ein beherrschendes Thema. Mit Blick auf die Immobilienwirtschaft findet man diverse Nachrichten im Internet, die das Ende des Immobilienbooms und einbrechende Immobilienpreise vorhersagen. Michael Niessen ist Abteilungsleiter Kapitalanlagen und Projektentwicklungen bei der PH Immobiliengesellschaft in Aachen und ein Branchenkenner.

Er weiß: „Dass die Corona-Krise Auswirkungen auf den Immobilienmarkt hat, kann niemand leugnen. Die Berichterstattung im Internet ist allerdings wenig differenziert. Über die Schlagzeilen wird pauschal ein Szenario für Deutschland beschrieben, dass beim näheren Hinsehen wenig objektiv ist und bei vielen Lesern nicht nur ein falsches Bild hinterlässt, sondern Ängste schürt.“ Wie so oft würden sich auch in dieser Krise schlechte Nachrichten besser verkaufen als gute.

Ein Beispiel ist die Focus-Schlagzeile vom 23. April „Immobilienmarkt steht still. Investor befürchtet stärkere Preiskorrekturen.“ Niessen betont: „Durch diese Headline entsteht der Eindruck, dass alle nur noch auf einbrechende Preise warten. Schaut man genau hin, wird klar: Es handelt sich nicht um den deutschen Immobilienmarkt, sondern den Berliner.“

Standort ist entscheidend

Klar ist: Die Wohnungsmieten und auch die Kaufpreise von Mehrfamilienhäusern in Berlin wären auch ohne Corona durch den Mietstopp und Mietendeckel in absehbarer Zeit gesunken. „Das heißt aber nicht, dass sich die Corona-Pandemie nur wenig auf den Immobilienmarkt auswirken wird“, betont der Experte. Auch hier müsse man stärker differenzieren, denn der deutsche Immobilienmarkt ist kein homogener Markt. „Zum einen ist der Standort entscheidend und zum anderen die Objektart. Handelt es sich um Eigentumswohnungen, Büroimmobilien, Handelsimmobilien, wie z.B. Fachmarktzentren oder um Hotel- und Gastronomieimmobilien? Einige gewerbliche Teilmärkte werden stärker betroffen sein als andere, z.B. der Markt der Hotel- und Gastronomieimmobilien. Für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser sieht die Lage dagegen viel besser aus“, weiß Niessen.

Es stellt sich die Frage, ob wegen der zu erwartenden steigenden Arbeitslosenzahlen durch die Corona-Krise der Bauboom vorerst einmal vorbei ist. Die „Börse am Sonntag“ berichtete am 3. April plakativ: „Der Corona Crash beendet auch den Immobilienboom“. Wie Michael Niessen erklärt, war die Veröffentlichung nur gut zwei Wochen nachdem diverse Einschränkungen beschlossen wurden. „Und ja, es stimmt, in diesen beiden Wochen verzeichneten die Immobilienportale und auch Immobilienmakler einen drastischen Rückgang an Anfragen. Mittlerweile, also nur gut drei Wochen später zeichnet sich aber ein anderes Bild ab. Bei den Immobilienportalen und Maklern gehen wieder viele Anfragen ein“, betont Niessen.

Virtuelle Immobilienbesichtigungen

Durch die Umstellung auf virtuelle Immobilienbesichtigungen mit 360°-Rundgängen nehmen mehr Interessenten an Besichtigungen teil als vor Corona. Zu einer echten Besichtigung kommen diejenigen, die sich wirklich für das Objekt interessieren. Natürlich alles unter den gebotenen Hygiene- und Abstandsvorschriften. In allen Ballungsräumen laufen zurzeit größere Wohnungsbaumaßnahmen. Die Frage ist, was passiert, wenn die Nachfrage tatsächlich um 10 bis 15 Prozent einbricht. Das hängt vom Wohnraumbedarf in der jeweiligen Region ab, das sieht Michael Niessen so wie viele andere Branchenkenner: „Der Wohnungsmarkt in Ballungsräumen wird durch die Corona-Pandemie nur wenig beeinträchtigt und in strukturschwachen Regionen muss mit einem Überangebot an Wohnraum und preislichen Einbußen gerechnet werden. Das betrifft sowohl den Kauf als auch die Anmietung von Wohnraum.“

Was die Berichterstattung betrifft, wünscht sich Michael Niessen mehr Objektivität: „Die Corona-Pandemie stellt uns vor ernste Herausforderungen und wir brauchen jetzt Menschen, die diese Probleme mit Besonnenheit anpacken. Insofern wünsche ich mir eine besonnene und objektive Berichterstattung, weil das allen helfen würde, die Lage realistisch einzuschätzen“.