· Die Jury würdigt mit der Preisvergabe 2023 das Gesamtwerk des 1951 geborenen Autors, „der in seinem Werk auch das Erbe Hasenclevers gestaltet und aktualisiert.“
· Norbert Scheuer schafft es in seinem Erzählen, Ängste und Hoffnungen der Leser darzustellen. Die Natur der Eifel und die kleinen Dörfer und Städte dieser Landschaft sind hierfür der Schauplatz.
· Die Preisverleihung findet am 12. November im Aachener Ludwig Forum statt. Am Abend zuvor gibt es eine Lesung mit Norbert Scheuer im Ludwig Forum und auch der traditionelle Besuch im Einhard-Gymnasium ist wieder eingeplant.

Der deutsche Schriftsteller Norbert Scheuer erhält in diesem Jahr den Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen. Das gab Axel Arnold Schneider, Vorsitzender der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, am heutigen Donnerstag (2. März) gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern der Jury, Bettina Baumann, Einhard-Gymnasium, Martin Schwoll, Buchhandlung Backhaus und Olaf Müller, Kulturbetrieb Aachen, bekannt.

Alle Facetten der Humanität und des Verstörenden
Die Jury würdigt mit der Preisvergabe 2023 das Gesamtwerk des 1951 geborenen Autors, „der in seinem Werk auch das Erbe Hasenclevers gestaltet und aktualisiert“, heißt es in der Begründung. Sie betont, dass Norbert Scheuer mit dem in seinen Büchern wiederkehrenden Handlungsort Kall in herausragender Weise ein Geschichtspanorama, das weit über die Eifel hinausreicht, entwirft. Seine Protagonisten erfahren das Leben und die Welt in ihrer Heimat mit allen Facetten der Humanität und des Verstörenden.
„Norbert Scheuer schafft es in seinem Erzählen, Ängste und Hoffnungen von uns Lesern darzustellen. Die Natur der Eifel und die kleinen Dörfer und Städte dieser Landschaft sind hierfür der Schauplatz“, so Axel Arnold Schneider.

Norbert Scheuer lebt als freier Schriftsteller in der Eifel. Nach einer Ausbildung zum Elektriker und einem Studium der Physikalischen Technik arbeitete er bis 2017 als Systemtechniker bei der Deutschen Telekom. „Er war nicht nur Techniker bei der Telekom. Er hat auch Philosophie studiert“, weiß Olaf Müller.
Scheuer begann sein literarisches Werk 1994 mit der Veröffentlichung seines ersten Buchs. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise und veröffentlichte zuletzt die Romane «Die Sprache der Vögel» (2015), der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, «Am Grund des Universums » (2017) und «Winterbienen» (2019). «Winterbienen» stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, wurde zum Bestseller sowie außerdem in viele Sprachen übersetzt. Er erhielt dafür den Wilhelm-Raabe-Preis 2019 und den Evangelischen Buchpreis 2020. In dem Roman schmuggelt der Außenseiter Egidius in Bienenkörben Juden über die Grenze nach Belgien, um sie vor dem Tod im nationalsozialistischen Deutschland zu retten. Buchhändler Martin Schwoll erläutert den Erfolg des Buches: „Die Kundschaft findet besonders die Antikriegsthemen gut, in denen es auch ums Helfen in dunklen Zeiten geht.“

„Niemals vergessen woher ich komme“
„Hasenclever war in erster Linie expressionistischer Autor, überzeugter Pazifist und überzeugter Europäer. Diese Kriterien muss für uns auch ein Preisträger erfüllen. Er muss sich mit dem aktuellen Zeitgeschehen auseinandersetzen“, erläutert Schneider. Diese Kriterien erfüllt Scheuer, in dem er auch immer wieder Themen aus der Heimat aufgreift. Schneider sagt weiter: „Jemand wie Herbert Scheuer mach uns klar: Niemals vergessen woher ich komme“. Dass mit Scheuer erstmalig ein Autor aus der Region den Preis erhält erfreut die gesamte Jury. Müller ergänzt: „Als Vertreter der Stadt Aachen freue ich mich sehr, dass jemand aus der Region den Preis erhält.“

Auftritte im Rahmen der Preisverleihung
Im Rahmen der Preisverleihung wird Norbert Scheuer bereits am 11. November zu einer Lesung ins Ludwig Forum nach Aachen kommen, am 13. November folgt traditionsgemäß ein Programm mit dem Autor in der Aula des Einhard-Gymnasiums. „Die Schüler*innen sind schon seit Tagen neugierig auf den Preisträger“, weiß Lehrerin Baumann und sagt weiter: „Insbesondere das Thema Verwandlung ist in Scheuers Werken sehr präsent. Das kann man wunderbar mit Schülern besprechen.“

Walter Hasenclever
Walter Hasenclever wurde am 8. Juli 1890 in Aachen geboren und starb am 21. Juni 1940 in einem südfranzösischen Internierungslager. Sein lyrisches Werk sowie sein 1916 uraufgeführtes Drama „Der Sohn“ machten Walter Hasenclever zu einem Exponenten des literarischen Expressionismus.1917 erhielt er den Kleist-Preis, von 1924 bis 1930 lebte er als Journalist in Paris. Während dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schauspielen, durch die er zeitweilig zum meist gespielten Dramatiker des deutschen Sprachraums avancierte.1930 arbeitete Hasenclever als Drehbuchautor Greta Garbos in Hollywood. 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten. Als Regimegegner auch physisch gefährdet, flüchtete er ins Exil, wo er angesichts der deutschen Kriegserfolge den Freitod wählte.

Walter-Hasenclever-Literaturpreis
Der Preis wurde im Gedenken an den in Aachen geborenen Schriftsteller Walter Hasenclever gestiftet. Er zeichnet literarische Arbeiten aus, die in der künstlerischen Grundhaltung, durch Themenwahl oder durch literarische Form mit dem Wirken Hasenclevers in Verbindung gebracht werden können. Die Preisverleihung findet am 12. November im Aachener Ludwig Forum statt.

Walter-Hasenclever-Preisträger
In seiner jetzigen Form existiert der Walter-Hasenclever-Preis seit 1996. Bisherige Preisträger waren Peter Rühmkorf (1996), George Tabori (1998), Oskar Pastior (2000), Marlene Streeruwitz (2002), F. C. Delius (2004), Herta Müller (2006), Christoph Hein (2008), Ralf Rothmann (2010), Michael Lentz (2012), Michael Köhlmeier (2014), Jenny Erpenbeck (2016), Robert Menasse (2018) und 2020 Marica Bodrožić.
Der Preis wird getragen von der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, dem Einhard-Gymnasium – der ehemaligen Schule Hasenclevers –, dem Aachener Buchhandel und der Stadt Aachen. Der Jury gehörten in diesem Jahr Bettina Baumann vom Einhard-Gymnasium, Hilde Scheidt, Bürgermeisterin der Stadt Aachen, Dr. Jan Bürger vom Literaturinstitut Marbach, Olaf Müller vom Kulturbetrieb der Stadt Aachen, Axel Schneider, Vorsitzender der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, Martin Schwoll von der Buchhandlung Backhaus und Thomas Thelen, Chefredakteur der Aachener Zeitung an. Mit Dr. Bürger gehört dem Kuratorium auch ein Vertreter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach an, das den Nachlass Hasenclevers pflegt und sich als Hauptträger am Preis beteiligt. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.

Foto © © Stadt Aachen / Linda Plesch
Die Jury-Mitglieder stellten heute die aktuelle Preisträgerin des Walter-Hasenclever-Literaturpreises vor: (v.l.n.r.) Olaf Müller, Axel Schneider, Bettina Baumann und Martin Schwoll.