In Corona-Zeiten kommt die beliebte Kunstpause aus dem Suermondt-Ludwig-Museum der Stadt Aachen digital nach Hause. Jeweils dienstags um 13 Uhr wird ein Video online gestellt, in dem Kurator*innen in knapp zwei Minuten erstaunliche Werke erklären. Viel Spaß beim Zuschauen und Zuhören!


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DI, 01.02., 13 UHR

Alpenländischer Meister

Trinitarische Pietà mit Maria als Fürbitterin, um 1510

Zirbelkiefer mit großflächigen Resten von Originalpolychromie

Die fein geschnitzte Skulpturengruppe aus Zirbelkiefer zeigt die in Spätmittelalter und Früher Neuzeit verbreitete Ikonografie der Trinitarischen Pietà, die sich durch Gottvater mit dem Schmerzensmann und der Heiliggeisttaube auszeichnet. Nur ein Fuß auf der linken Schulter Gottvaters erinnert hier allerdings noch an die einstige Taube. Dieser Trinitätsdarstellung ist die trauernde Maria, die Mater dolorosa, als kniende Figur beigefügt. Es stellt sich die Frage, welche inhaltliche Bedeutung mit dieser Bildkonzeption verbunden ist? Ist der Schmerz des Vaters über den Tod seines Sohnes oder vielmehr sein Erbarmen dargestellt? Welche Rolle kommt der Muttergottes in Zusammenhang mit der Trinität zu? Diese Fragen werden anhand des zu betrachtenden Andachtsbildes, das von großer emotionaler Kraft zeugt, zu klären sein.

Mit Dr. Dagmar Preising

DI, 08.02., 13 UHR

Nadeletuis mit den Figuren des Reformators Melanchton (1497-1560), einer Bütte-tragenden Tirolerin und eines Tirolers als Jäger

Oberammergau, um 1850/60, Linden- oder Spindelholz, H 10 cm, Melanchton

erworben 2016, Tiroler und Tirolerin Altbestand

In dem schon damals berühmten oberbayerischen Bildhauerdorf Oberammergau stellte man Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur Spielzeug, Kruzifixe, Heiligen- und Krippenfiguren, sondern auch feine Behältnisse her. In Mikroschnitzerei, die sicherlich nur unter Zuhilfenahme von optischen Vergrößerungsgeräten gelang, entstanden aus Linden- oder Spindelholz Miniaturetuis, wie diese kleinen Behälter für Nähnadeln. Zieht man das säulenähnliche Postament am horizontalen Ring auseinander, so erhält man Einblick in das hohle Innere mit dem dort verborgenen Nähwerkzeug. Ganz ungewöhnlich ist jedoch die geschnitzte Figur auf dem Podest, nämlich der neben Martin Luther wichtigste Reformator Philipp Melanchton (1497-1560). Und das im rechtgläubigen Oberammergau!  Man war zwar stockkatholisch, aber doch erstaunlich pragmatisch. Themen und Darstellungen, für die Nachfrage bestand, wurden plastisch umgesetzt, ganz egal, ob es sich um Napoleon oder wichtige Gestalten der Reformation handelt. Vorbild war die von Karl Alexander Heideloff (1789-1865) entworfene und von Jakob Daniel Burgschmiet (1796-1858) 1826 geschaffene Steinskulptur des Philipp-Melanchthon-Denkmals am Egidienplatz in Nürnberg. Tiroler und Tirolerin bedienten eher einen allgemeineren, von Alpenromantik geprägten Geschmack. 

Mit Michael Rief

DI, 15.02., 13 UHR

Herman van der Mijn (1684 – 1741)

Junge Frau, einen Brief lesend, mit alter Dienerin, um 1720

Öl auf Eichenholz

Obwohl eine aussterbende Gattung, so sind und waren Briefe doch immer ein Kommunikationsmittel von ganz eigenem Reiz. Auch in der Kunst wollte man sie als Attribut, Beschriftungs- oder Projektionsfläche nicht missen wie es auch dieses Beispiel vorführt. Von einer Kerze spärlich beleuchtet ist eine junge Frau in der Lektüre vertieft. Die hinter ihr stehende, alte Frau hat erstaunt die Hände empor gerissen, doch genau wie der Rest der Szenerie bleibt der Inhalt des Schreibens dem Betrachter verborgen. Dieses kleine Kabinettbild des umtriebigen Malers Hermann van der Mijn steht mit seinen raffinierten Details und mehrschichtigen Bildaussage ganz in der Tradition der Leidener Feinmalerei und lädt dazu ein, zweimal hinzusehen: das gilt nicht nur für die dargestellte Begebenheit sondern auch die Signatur.

Mit Vincent Rudolf

DI, 22.02., 13 UHR

Carl Schuch (Wien 1846 – 1903 Wien)

Stillleben mit Rosen, 1885

Öl auf Leinwand

Unter der Bezeichnung Stillleben wird die Darstellung lebloser oder unbewegter Gegenstände verstanden, häufig arrangiert auf einem Tisch oder einer Balustrade vor monochromem Hintergrund. Ihren Höhepunkt erlebte diese Bildgattung im 17. Jahrhundert mit Vertretern wie Pieter Claesz., Balthasar van der Ast oder Joseph de Bray, von denen Werke im Stillleben-Raum in der 1. Etage des Museums zu sehen sind. Weniger bekannt ist, dass diese Gattung auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder an Bedeutung gewann. Realisten und Impressionisten begannen zu dieser Zeit, ihre spezifische Bildsprache in Stillleben umzusetzen.

Maler wie Carl Schuch faszinierte ebenso wie seine Vorgänger die optische Erscheinung eines Gegenstandes. Statt der exakten Materialität und dem Interesse am Gegenstand, rückte die atmosphärische Wirkung der künstlichen Arrangements in den Fokus. Schuchs Stillleben knüpft somit einerseits an eine große künstlerische Tradition an, findet zugleich jedoch neue Ausdrucksformen, die verdeutlichen, wie sich die Fragestellungen und Anforderungen an die Stilllebenmalerei grundlegend gewandelt haben.

Mit Wibke Birth

Foto © TOP AACHEN