Vom Neujahrsempfang der Kupferstadt Stolberg ging in diesem Jahr eine wichtige Botschaft aus: Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in Stolberg eine hohe Priorität, vor allem zur Sicherung der Stolberger Industrie und der damit verbundenen Arbeitsplätze. Stolberg ist mit dem Projekt „Grüne Talachse“ eine Modellkommune.

„Beim Ausbau grüner Energien vor Ort ist die Zeit des Wegduckens vorbei.“ So beschreibt Bürgermeister Patrick Haas in seiner Eröffnungsrede beim Neujahrsempfang im Zinkhütter Hof die Fehler der Vergangenheit und den Blick auf die Zukunft. Die Produktion von grünem, sicheren und günstigen Strom in Stolberg für Stolberg sei nicht nur für die Haushalte, sondern vor allem für die zahlreichen energieintensiven Industriebetriebe ein entscheidender Standortfaktor. „Die Zukunft unserer Industriearbeitsplätze hängt entscheidend davon ab, dass wir die Energiewende mit hoher Priorität auch vor Ort vorantreiben. Wir müssen weg vom teuren, klimaschädlichen, unsicheren und preisschwankenden Öl und Gas hin zur Verstromung industrieller Prozesse.“

In diese Kerbe schlugen in der anschließenden Gesprächsrunde auch alle Experten. Dirk Harten, Geschäftsführer der Firma Schwermetall, wiederholte seine schon häufig öffentlich geäußerten Appelle: „Eigentlich müssten wir jeden Tag ein Windrad bauen, um die drohende Versorgungslücke für die Betriebe zu schließen.“ Aktuell gibt es auf dem gesamten Stolberger Stadtgebiet nur drei Windräder auf der Werther Heide.

Dem Bürgermeister ist bewusst, dass der Bau von weiteren Windrädern und Photovoltaikanlagen häufig umstritten ist, wenn die Standorte konkret werden. Fakt sei aber auch: „Wenn wir jetzt nicht proaktiv tätig werden verlieren wir angesichts der guten Ausbauziele der Landesregierung bald unseren Einfluss über Ort und Art der erneuerbaren Energien in Stolberg. Dann gibt uns die Bezirksregierung vor, wo wir sie zu bauen haben.“ Sollte die Stadt nun aber das Heft des Handels selber in die Hand nehmen könne sie gemeinsam mit den Partnern beispielsweise attraktive Modelle von Bürgerbeteiligungen an Energieproduktionen umsetzen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist auch ein wichtiger Aspekt im Projekt „Grüne Talachse Stolberg 2030“, das der Bürgermeister vor einigen Monaten ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit allen großen heimischen Industriebetrieben und Experten von StädteRegion, IHK, AGIT und Hochschulen arbeitet die Stadt seitdem intensiv an ambitionierten und innovativen Konzepten. Ein erstes Ergebnis: Ein Nahwärmenetz für Stolberg. Aktuell erzeugen die Industriebetriebe in Stolberg ein Abwärmepotenzial von 340 Gigawattstunden, wie Prof. Ulf Herrmann auch beim Neujahrsempfang betont. Bislang werde diese erzeugte Wärme fast vollständig ungenutzt in die Umwelt abgeführt, erklärt der Leiter des Solar-Instituts Jülich der FH Aachen. Das soll sich als erstes Ergebnis der „Grünen Talachse“ bald ändern. Ziel: Die Versorgung tausender Haushalte im Talachsenbereich und möglicherweise auch in den Außenbezirken mit zum Heizen geeigneter Wärme der heimischen Industrie.

Die EWV hat zur Umsetzung des Projektes eine neue Abteilung „Energiewende“ geschaffen. Deren Leiter Samy Gasmi betont beim Neujahrsempfang: „Wir haben bereits im letzten Jahr die technische Planung ausgeschrieben und ein Ingenieurbüro mit der Vorbereitung einer Machbarkeitsstudie beauftragt.“ Diese Studie ist Voraussetzung für den Förderantrag, der beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht werden soll.

Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, und Sven Pennings sind sich in der Gesprächsrunde beim Neujahrsempfang sicher, dass die Kombination aus der Errichtung regenerativer Energien und besserer Nutzung der Abwärme für Stolberg der entscheidende Standortfaktor ist, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Attraktivität als Wohnort. Stolberg sei mit dieser Strategie bereits jetzt eine Modellkommune in der Region. Dem stimmt auch Professorin Fromhold-Eisebith zu, die den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie an der RWTH Aachen leitet. Sie sieht auf Grundlage dieser Projekte noch weitere große Potenziale für Stolberg, beispielsweise die Etablierung von „Smart-City“-Elementen, sprich die effizientere, technologisch fortschrittlichere und ökologisch und sozial inklusivere Gestaltung der Stadt.

Der Neujahrsempfang endete so schön wie er schon begonnen hatte: Mit Musik des Duos Sarah Schiffer und Martin Guha. Die rund 200 Gäste waren jedenfalls begeistert. Zumindest gehört es bei Neujahrsempfängen normalerweise nicht zum Standardablauf, dass die Gäste Schunkeln und Tanzen.

Foto © Stadt Stolberg