Im Norden Aachens, in der Senke zwischen Lousberg, Salavatorberg und dem breiten Rücken des Kaninsberges, erstreckt sich das grüne Auenland der Aachener Soers. Denkt man sich kurz die modernen Industrie – und Gewerbeansiedlungen und die großen Sportanlagen weg, stellt man sich statt der geraden Linien der Autobahnen und Schnellstraßen, die jetzt dieses Tal durchschneiden, krumme Wege und Straßen vor, und betrachtet die gewundenen Bachläufe, hat man sie wieder vor sich, die alte Soers – flach und grün, feucht und fruchtbar! Der typische Baum ist die Kopfweide, das typische Tier die schwarzweiße Milchkuh. Eine bäuerliche Landschaft also vor den Toren der Stadt – typisch auch die vielen in die Au hineingestreuten Bauernhöfe.

Zu diesen sogenannten „Ministerialen- Höfen“ der Aachener Pfalz gehörte mit Sicherheit auch das „Gut Großstück“. Der Name rührt von einer Flurbezeichnung her. In der Zeit ihres Bestehens wurde die Anlage immer wieder umgebaut. Ein alter Bauernhof – klar gegliedert: hier die Wirtschaftsgebäude (Scheune und Stall), in der Mitte das alte bescheidene Bauernhaus, er wohl älteste Teil des Hofes. Daran anschließend das Herrenhaus. Dieses zweigeschossige Backsteinhaus mit seinen drei Achsen barocken Stichbogenfenstern und der ähnlichen Tür im Erdgeschoß mit Blausteingewänden und Walmdach entstand nach der Datierung in Eisenankern im Jahr 1754. Einige Gebädeteile sind noch älter.

Ein Teil der historischen Wirtschaftsgebäude wurde um 1900 durch Neubauten ersetzt. Die neue Scheune wurde vermutlich von Herrn Scheiders errichtet, dessen Erben den Hof 1928 an die Armenverwaltung der Stadt Aachen veräußerten. Die Scheune weist Formen der Jahrhundertwende aus und macht einen gewissen formalen Anspruch ihres Erbauers deutlich.

Mit der Übernahme durch die Stadt wurden die Räume des ehemaligen Wohnhauses umgenutzt. Die Fenster wurden zugemauert bis nur noch Stallfenster (im Erdgeschoß) und schießschartenartige Schlitze (im Obergeschoß) überblieben. Das Hofabschlußtor macht deutlich, dass der ursprüngliche Zugang von der Krefelder Straße herkam.

Schöne Häuser bedürfen der Pflege, und die fehlte Gut Großstück lange. 60 Morgen Weide und Anbauland gehörten einmal dazu, als er noch bewirtschaftet wurde. Aber das Land ringsum wurde abgetrennt, der Pachtvertrag zwischen der Stadt Aachen und den Pächtern – seit 1911 die Geschwister Dammers – wurde gekündigt., der Hof verlassen. Die Stadt Aachen missbrauchte das heruntergekommene Anwesen als Salzlager, „Kunstliebhaber“ rücken nachts mit schweren Hämmern an, um Blausteine herauszuschlagen, Treppen zu demontieren, Tonplatten abzutransportieren. Um 1980, als nebenan die Eissporthalle gebaut wurde, war der einst stolze Hof abbruchreif, eine schmutzige Ruine, die aber unter Denkmalschutz stand.  Zitate aus damaligen Zeitungsberichten: „Ist Gut Großstück noch zu retten?“, „Gut Bruchstück“, „eine Bruchbude, ein Schmutzfleck, eine verwahrloste Rattenburg“, ein Gebäude also, das schnellstens abzureißen war, um einer schmucken Eisfläche aus grauem beton Platz zu machen. „Kein Mensch bringt soviel Geld auf, um das Gut wiederherzustellen“ stand da zu lesen.

Anders dachten nur die Aachener Geschäftsleute Herbert Vigener und seine Frau Rosemarie, weil sie die Möglichkeiten der Ruine (heute würde man sagen ihr „Potenzial“) erkannten. „Keine schlechte Geschäftslage für eine Rundfunkgroßhandlung, Parkplätze reichlich und überhaupt – die Wirtschaftsgebäude wären nach Form und Größe hervorragend für ein Lager geeignet und im Herrenhaus könnte eine Familie gut leben“. Nicht gerechnet hatten sie allerdings mit den zahllosen Querelen, die ihnen bevorstanden: nächtliche Abreißtrupps zerschnitten den sichernden Stacheldraht, das Erdgeschoß stand plötzlich unter Wasser, das große Wirtschaftsgebäude drohte einzustürzen und konnte nur mit Mühe gehalten werden. Es gab aber auch erfreuliche Entdeckungen: im Herrenhaus konnte ein makellos schöner Kamin erhalten werden – klassizistisch mit Rokoko-Ornamenten.

Im September 1984 war es dann soweit: die Elektro- und Rundfunkgroßhandlung Walter Vigener konnte das Gutsgebäude beziehen. Auch wenn es an anderer Stelle anders berichtet wird: es ist ausschließlich der privaten Initiative des Paares zu verdanken, das auch nachfolgende Generationen sehen können, wie schön sie waren, die alten Höfe der Soers.

Heute steht das Anwesen zum Verkauf an und kann nach der letzten Nutzung als Großehandel seiner weiteren Zukunft optimitisch entgegensehen. Die exklusive Vermarktung wird durch die PH Immobiliengesellschaft betrieben.