• Das Stadtarchiv Aachen präsentiert den sechsten Band seiner Buchreihe „Aus den Quellen des Stadtarchivs Aachen“. Thema ist der Putschversuch rheinischer Separatisten vom 21. Oktober bis zum 2. November 1923.
  • Der neue Quellenband umreißt die krisenhafte Situation des Jahres 1923 und die Entwicklung von der gemäßigten Autonomiebewegung der Jahre 1918/19 bis zum Putschversuch am 21. Oktober 1923.
  • Das Buch umfasst 280 Seiten sowie 80 Abbildungen und zwei Karten. Ein Großteil der Illustrationen wird erstmals veröffentlicht.

Das Stadtarchiv Aachen präsentiert jetzt den sechsten Band seiner Buchreihe „Aus den Quellen des Stadtarchivs Aachen“. Der Quellenband, herausgegeben von Thomas Müller und Renè Rohrkamp, behandelt ein Ereignis vor genau hundert Jahren – den Putschversuch rheinischer Separatisten vom 21. Oktober bis zum 2. November 1923.

Das Krisenjahr 1923
Der Putschversuch fand auf dem Höhepunkt des Krisenjahres 1923 statt. Fünf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte sich die politische, soziale und wirtschaftliche Lage in Deutschland enorm zugespitzt. In kurzer Folge kam es in verschiedenen Teilen des Reiches zu Aufständen, Hungerrevolten und Putschversuchen. Gewaltsame Auseinandersetzungen mit teils Dutzenden Todesopfern ließen ein Zerbrechen der noch jungen Demokratie befürchten. In Berlin eskalierte eine Hungerrevolte zu einem antisemitischen Pogrom.

Im Rheinland, das nach dem Krieg in mehrere Besatzungszonen unterteilt worden war, wirkte sich die Krise in besonderem Maße aus. In dieser Situation sahen Rheinland-Separatisten ihre Chance, einen unabhängigen Staat zu proklamieren: die Rheinische Republik.

Die Rheinische Republik
Unmittelbar nach Kriegsende hatte sich eine politische Bewegung entwickelt, die eine Loslösung des Rheinlandes von Preußen anstrebte – es sollte als neuer Bundestaat Teil eines föderalen und demokratischen Deutschlands bleiben. Diese Idee fand Rückhalt in Teilen der Bevölkerung und der politischen Eliten, so auch in Aachen. Die Unterzeichnung des Versailler Vertrags stoppte diese Bestrebungen im Jahr 1919. Ein Teil der Aktivist*innen radikalisierte sich hin zum Separatismus, also zu Gründung der Rheinischen Republik als unabhängiger Staat außerhalb Deutschlands.

In den frühen Morgenstunden des 21. Oktober 1921 besetzten Anhänger dieser Idee die meisten öffentlichen Gebäude Aachens und proklamierten per Plakat die Gründung der Rheinischen Republik. Nach anfänglichen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung und dem Polizeipräsidium kam es am zweiten und dritten Tag des Putsches zu heftigen Unruhen, die durch die belgische Besatzungsverwaltung zunächst befriedet werden konnten.

Bewaffnete Auseinandersetzungen
So entstand eine Pattsituation: Die Putschisten hielten das preußische Regierungsgebäude am Theaterplatz besetzt, konnten ihre Macht aber nicht konsolidieren. Umgekehrt scheiterten mehrere, teils gewaltsame Versuche der preußischen Behörden, das Gebäude zu räumen. Als die Situation am 2. November durch das Eingreifen überregionaler Akteure der separatistischen Bewegung eskalierte und es am Rathaus zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam, beendete die belgische Regierung den Putsch. In anderen Teilen des Rheinlandes dauerte die separatistische Krise teils bis zum Februar 1924 an.

Die Erinnerung an den Putschversuch ist bislang stark von der Sichtweise, aber auch von der politischen Propaganda der Gegner geprägt. Diese waren bemüht, den Putsch als eine gesellschaftlich isolierte Aktion mit kriminellem Hintergrund darzustellen. Während der NS-Zeit wurde diese verzerrte Sicht noch verstärkt und frühere Separatisten verfolgt. Eine differenzierte Aufarbeitung erfolgte kaum und stand für Aachen bis heute aus.

Das aktuelle Buch des Stadtarchivs stützt sich nicht allein auf die eigene Überlieferung. Ausgewertet wurden neben verschiedenen deutschen Archiven auch Bestände der belgischen Regierung. Dies ermöglicht es, die lokalen Ereignisse und ihren internationalen Kontext, vor allem die Haltung Belgiens, besser zu verstehen.

Rekonstruktion der lokalen Ereignisse
Das Buch umreißt die krisenhafte Situation des Jahres 1923 und die Entwicklung von der gemäßigten Autonomiebewegung der Jahre 1918/19 bis zum Putschversuch am 21. Oktober 1923. Im Mittelpunkt steht eine präzise Rekonstruktion der lokalen Ereignisse einschließlich der Haltung, die deutsche und belgische Akteure zu ihnen einnahmen. Der biographische Hintergrund der beiden Anführer des Aachener Putschs, des Aachener Unternehmers Leo Deckers und des Duisburger Aktivisten Emil Guthardt, wird neu ausgeleuchtet.

Einbezogen wird außerdem der Verlauf des Putsches in den Gemeinden rund um Aachen, wo es in Brand und Walheim zu einer lokalen Eskalation kam. Ein weiteres Kapitel widmet sich den Opfern des Putschs, deren Identität und Todesumstände erforscht wurden. Eine Skizze der gescheiterten juristischen und politischen Aufarbeitung des Putschs sowie des Schicksals seiner Protagonisten rundet die Darstellung ab.

Wissenschaftliche Aufarbeitung
Diese wissenschaftliche Aufarbeitung steht im Mittelpunkt des Buches. Darüber hinaus werden 37 ausgewählte Quellen aus dem Stadtarchiv Aachen und anderen Archiven editiert. Jede dieser Quellen wird in ihren Kontext eingeordnet, quellenkritisch erläutert und, wenn nötig, durch eine Übertragung in das heutige Schriftbild lesbar gemacht. Das Buch umfasst 280 Seiten sowie 80 Abbildungen und zwei Karten. Ein Großteil der Illustrationen, darunter farbige Fotografien aus der Zeit des Putschs und Aufnahmen aus dem Privatbesitz der Familie von Leo Deckers, wird erstmals veröffentlicht.

Der Preis des Buches beträgt 25 Euro.
Das Buch kann im Stadtarchiv sowie im Buchhandel erworben werden (ISBN 978-3-00-076016-7).

Foto © Stadt Aachen / Andreas Herrmann: (v.l.n.r.) Die Herausgeber Thomas Müller und René Rohrkamp präsentieren gemeinsam mit Heinrich Brötz, Beigeordneter für Bildung, Jugend und Kultur, densechsten Quellenband des städtischen Stadtarchivs zum Aachener Putsch rheinischer Separatisten 1923.