Interview mit dem Aachener Bundestagsabgeordneten Rudolf Henke zur Corona-Pandemie
In seiner täglichen Arbeit in Aachen und Berlin ist der Aachener Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke seit dem Frühjahr sehr intensiv mit der Corona-Pandemie befasst.
Der Internist und CDU-Politiker ist 1954 in Düren geboren. 1988 wurde er Oberarzt an der Klinik für Hämatologie und Onkologie am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Er war von 2007 bis 2019 Erster Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und ist Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags.
Herr Henke, wie sind Sie persönlich in Ihrer Arbeit mit der Corona-Pandemie befasst?
Henke: „Sehr intensiv. Im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages bin ich zuständiger Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für die Pandemie. Seit dem Frühjahr hat es keine ordentliche Sitzung des Ausschusses gegeben, in der das Thema nicht im Mittelpunkt stand. Seit Monaten nimmt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an fast jeder Ausschusssitzung teil, in den sitzungsfreien Zeiten hat er uns immer wieder per Schaltkonferenz auf dem Laufenden gehalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Gesundheitspolitik jemals so gefordert war, wie in diesem Jahr. Im Deutschen Bundestag hat es sicher über 100 Plenardebatten im Zusammenhang mit der Pandemie gegeben. Auch innerhalb der Ärzteschaft war die Pandemie natürlich das Top-Thema dieses Jahres. Im Alltag ist vieles digital geworden, was früher in Präsenz stattfand. Der Dialog mit den Gesprächspartnern ist so natürlich anders als in Präsenz. Meine Mitarbeiter leisten ihre Arbeit derzeit abwechselnd mobil von zu Hause aus. Auch das bringt meinem Team neue Herausforderungen. Uns allen fehlen die sozialen Kontakte und Begegnungen sehr, die man normalerweise bei der Arbeit hat.“
Wie beurteilen Sie die Situation in der Corona-Pandemie zum Jahreswechsel?
Henke: „Wenige Tage vor Weihnachten warten wir alle auf die Wirkung der mit dem 16. Dezember in Kraft getretenen Beschlüsse. Der schwächere Lockdown seit dem 2. November hatte den Anstieg der Infektionen zwar gebremst, der Effekt war aber einfach zu gering. Die Belastung und mancherorts auch Überlastung der gesundheitlichen Versorgung ist alarmierend. Im Frühjahr haben sechs Wochen gereicht, um von 50 neuen Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche auf unter 5 zu kommen. Jetzt haben wir am 21. Dezember mehr Neuinfektionen in einer Woche gemeldet bekommen als jemals sonst in der Pandemie. Ich bin sehr beeindruckt von der Initiative Hunderter Wissenschaftler „Contain Covid-19“, die dafür werben, die Neuinfektionen durch koordiniertes Vorgehen in ganz Europa auf höchstens sieben pro 100.000 Einwohner und Woche zu begrenzen. Dann wird auch die Strategie des gezielten Testens, Nachverfolgens und Isolierens wieder wirksam. In dieser Lage ist es kein Gegensatz, auch an Festtagen seine Liebsten zu schützen und füreinander da zu sein. Der bald zu erwartende Beginn der Impfungen in Deutschland stimmt mich für 2021 sehr hoffnungsvoll.“
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf das Gesundheitssystem?
Henke: „Der Beginn der Pandemie im Frühjahr hat uns sehr deutlich gezeigt, in welchen Bereichen des Gesundheitssystems es – mal vorsichtig ausgedrückt – Verbesserungspotenziale gab. Die Stellenpläne, die Versorgung mit persönlicher Schutzausrüstung und die Digitalisierung zählen dazu. Sie hat aber auch gezeigt, dass wir deutlich besser aufgestellt waren, als andere Länder. Vergleicht man Deutschland mit den USA, dann hat das 100.000 Menschen das Leben gerettet. Der in der Vergangenheit schon personell vielfach vernachlässigte öffentliche Gesundheitsdienst mit fast 400 Gesundheitsämtern hat sich als eine wichtige Front bei der Pandemiebekämpfung erwiesen. Die Gesundheitsämter haben trotz der für sie widrigen Bedingungen unglaublich gute Arbeit geleistet. In Zukunft müssen wir weiter daran arbeiten, den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Pflege und die tägliche Gesundheitsversorgung zu stärken.“
Worauf kommt es jetzt in den harten Wintermonaten mit Corona besonders an?
Henke: „Auch wenn diese Worte für alle bekannt sind, möchte ich noch einmal unterstreichen: Es kommt auf jeden Einzelnen von uns an. Bereits im Frühling haben wir die Krise mithilfe der Solidarität, der Gemeinschaft, der Vernunft aller Bürgerinnen und Bürger sehr gut überstanden. Wir haben gezeigt, dass das geht. Jetzt im Herbst und Winter merke ich, dass sich die Stimmung stark verändert hat: Viele fühlen sich mit ihrem Betrieb oder ihrem Geschäft allein gelassen und der Ton ist deutlich rauer geworden. Bund und Länder versuchen so viel wie möglich finanziell zu helfen, aber diese Möglichkeiten sind nicht grenzenlos. Vor allem greift nicht alles sofort, weil wir leider auch Missbrauch erlebt haben. Wenn wir als Gesellschaft für diejenigen, die wegen der Krise Existenzangst haben, etwas tun wollen, dann ist das wirksamste Mittel: Abstand halten, Hygiene beachten, Masken tragen, geschlossene Räume lüften, die Corona-App nutzen und mit Konsequenz die Infektionszahlen endlich wieder deutlich nach unten bringen.“
Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr 2021?
Henke: „Wenn alles gut geht, und danach sieht es im Moment aus, steht das nächste Jahr ganz im Zeichen einer großen Impfkampagne. Es wird noch eine Weile dauern, bis genügend Menschen geimpft sind damit sich das auf das Infektionsgeschehen auswirkt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir durch die Impfungen nächstes Jahr in vielen kleinen Schritten aus der Pandemiesituation herauskommen. Und ich hoffe inständig, dass es dabei zwischendurch nicht noch weitere Rückschläge geben wird. Wie so oft haben wir das alle selbst in der Hand: Wenn sich möglichst viele impfen lassen und wir uns weiterhin an die Abstands- und Hygieneregeln halten, wird 2021 wieder besser als 2020.“
Foto © Wahlkreisbüro Rudolf Henke