Praxisbeispiel für das Immaterielle Kulturerbe Bauhüttenwesen

Der „Zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe“ hat das Bauhüttenwesen in sein Register Guter Praxisbeispiele aufgenommen. Damit sind die Bauhütten nun als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Die Bewerbung wurde von 18 Bauhütten aus fünf Ländern eingereicht. Beteiligt war auch die Aachener Dombauhütte.

Die Anerkennung durch die UNESCO ist am Aachener Dom mit großer Freude aufgenommen worden.

„Die Bauhütte beziehungsweise die Mitarbeitenden der Bauhütte sind die „Pflegende Hand“ des Bauwerks und in besonderer Weise mit ihm verbunden. Das gilt auch für uns hier am Aachener Dom. Die ständige Kontrolle und ‚Fürsorge‘ ist unser Auftrag, damit der Erhalt des Doms in Gegenwart und Zukunft gesichert ist. Die Handschrift der jeweiligen Dombauhütte im Umgang mit dem Denkmal ist über einen langen Zeitraum erkennbar. Es ist für uns immer wieder spannend, die Spuren unserer Vorgänger zu entdecken und zu lesen“, erklärte Dombaumeister Helmut Maintz.

Dompropst Rolf-Peter Cremer unterstrich: „Auch ich freue mich über die Anerkennung und Würdigung, die das Bauhüttenwesen durch diesen Titel erfährt. Ohne das Wissen, ohne die Fertigkeiten und das Engagement speziell auch unserer Aachener Dombauhütte wäre der Dom heute nicht in einem so guten Zustand. Ab Ende der 1980er Jahre wurde das Bauwerk umfassend saniert. Spannend ist immer der Mix aus mittelalterlichen Handwerkstechniken und Hightech, die bei den Arbeiten zur Anwendung kommen.“

Endspurt an der Taufkapelle

Bei den Sanierungsarbeiten an der Taufkapelle setzt Dombaumeister Helmut Maintz auf den hauseigenen Spezialmörtel und althergebrachte Techniken. Der Endspurt steht an: Bis Ende Januar sollen die Sanierungsarbeiten an der Taufkapelle beendet sein. „Endlich“, freut sich Dombaumeister Helmut Maintz. Wie so oft bei Arbeiten an historischer Substanz stellte sich erst im Verlauf der Sanierung heraus, dass das Ausmaß der Schäden größer war als angenommen. Ursprünglich, so rekapituliert Maintz, sollte nur das undicht gewordene Schieferdach aus der Barockzeit erneuert werden. Doch dann zeigte sich, dass die darunterliegende Holzkonstruktion ebenfalls marode war. Dem alten Dachstuhl musste – vereinfacht gesagt – ein neuer aufgesetzt werden, was wegen der Wölbung sehr komplex war.
Auch fast das komplette Fugenmaterial am Mauerwerk des Gebäudes war porös und konnte teilweise schon mit den Fingern herausgekratzt werden. An einigen Stellen war bis ins Hintermauerwerk aus Ziegel gar kein Mörtel mehr vorhanden. Schließlich sorgte dann noch die Corona-Pandemie für eine monatelange Lieferverzögerung der in Spanien bestellten Schiefer für die neue Dachabdeckung.
Doch jetzt sieht sich Helmut Maintz auf der Zielgeraden. Zufrieden betrachtet er die erneuerten Fugen auf der Westseite der Kapelle, die von außen noch nicht zu sehen sind. Seit anderthalb Jahren versperrt ein Gerüst den Blick auf das erstmals 1215 als Johanneskapelle erwähnte Gebäude, das bis vor 200 Jahren der einzige Ort in  der Stadt war, an dem Aachener Katholiken getauft werden durften.
Es ist kein herkömmlicher Mörtel, der als „Kitt“ für das alte Mauerwerk verwendet wurde. „Zusammen mit dem Institut für Bauforschung der RWTH und dem Ingenieurbüro Dominik haben wir eine Spezialmischung weiterentwickelt, die dem Mörtel ähnelt, den wir bereits 2005 für die Anna- und Matthiaskapelle verwendet haben.“ Körnung, Färbung und Materialzusammensetzung passen zum Charakter des Mauerwerks. An einer Stelle der Außenwand haben der Dombaumeister und sein Team im Frühjahr ein Testfeld angelegt, auf dem verschiedene Mörtel aufgetragen und beobachtet wurden. Das Ergebnis ist wenig überraschend: der „Hausmörtel“ eignete sich am besten.
Bevor er aufgetragen wird, werden die Zwischenräume mit Haftgrund vorgestrichen. Hinterher darf er in Ruhe aushärten, insgesamt etwa 14 Tage. „Wir greifen dabei auf eine althergebrachte Technik zurück“, erklärt Maintz und weist auf meterlange Jutebahnen, die abends nassgespritzt werden und das Mauerwerk nachts befeuchten.
Dass Zeitdruck und Standardlösungen nicht zu einer historischen Baustelle passen, zeigt sich auch ein paar Etagen höher. Hier verlegt eine Dachdeckerfirma die Dachschiefer in einer sogenannten „Rechteckdoppeldeckung“. Handwerkliches Spezialwissen ist gefragt, denn jeder einzelne Schiefer muss von Hand zurechtgeschlagen werden. „Damit bei der gebogenen Dachform die Rechteckschiefer am unteren Ende nicht zu sehr „abstehen“, muss in jede dritte bis sechste Reihe ein Edelstahlblech mit einer Krolle eingefügt werden. Damit haben die Schieferplatten am unteren Ende ein gutes flächiges Auflager, was für ein lange Haltbarkeit sehr wichtig ist. Auch müssen die Schiefer in der Dicke relativ gleichmäßig sein, damit ein ebenes, harmonisches Bild entsteht!“ Bist jetzt ist der Dombaumeister mit dem Bild sehr zufrieden.
„Die Gesamtkosten für die Sanierung werden voraussichtlich bei etwa 800.000 Euro liegen“, sagt Dompropst Rolf-Peter. Finanziell unterstützt werde das Projekt vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Aachen, dem Bistum, dem Karlsverein-Dombauverein sowie durch Spenden aus der Aktion „Der Aachener Dom braucht Hilfe“.

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