Ämterweise stellt das Stadtarchiv Stolberg Archivalien vor, die aus den unterschiedlichen Ämtern und Abteilungen der Kommunalverwaltung überliefert sind. Das amtliche Schriftgut stellt den Kernbestand öffentlicher Archive dar und bildet somit den Hauptteil archivischer Überlieferung und historischer Forschung.
„To: Dr. Deutzmann, Burgermeister of Stolberg“ ist der erste Räumungsbefehl von vielen an die Stadtverwaltung adressiert. Manchmal schrieb man auch ‚Burgomaster‘, was der amerikanischen Aussprache des deutschen Wortes geschuldet war. Die Befehle an sich ergingen in englischer Sprache, ergänzt um eine deutsche Übersetzung. Diese Folge der Reihe ‚Ämterweise‘ ist nicht aus einem städt. Amt, sondern stammt von der in Stolberg tätigen US-Militärverwaltung der Stadt (Akte ST 2785).

Am 22. September 1944 hatte Bürgermeister Engelbert Regh die Stadt den einrückenden US-Truppen offiziell übergeben und diese übernahmen ab da die Verantwortung für ihre Verwaltung. Am 1. Oktober hatten sie Lehrer Fritz Deutzmann zum Nachfolger von Regh bestimmt, der wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft keine Funktion mehr bekleiden durfte.

Die US-Soldaten brauchten Unterkünfte und diese wurden in Privathäusern eingerichtet. Von damals etwa 30.000 Einwohnern war etwa ein Drittel noch vor Ort, als die Kampfhandlungen das Vichttal erreichten. Viele Häuser wurden vor allem in den bis November 1944 anhaltenden Kampfhandlungen zerstört und Wohnraum neben allem Lebensnotwendigen knapp. „It is hereby requested that house No. 3 Gruentall Str. be evacuated by 1200 hours, noon, tomorrow for purposes of military necessity”, lautet der Befehl. Das Haus Grüntalstraße 3 müsse bis mittags am folgenden Tage für militärische Zwecke geräumt werden. Viele weitere Häuser folgten bis Ende des Jahres. Die Stolberger mussten noch enger zusammenrücken. Und viele Stunden verbrachten sie in Kellern, während Granaten übers Tal flogen und Bomben in die Stadt stürzten.

Viele zivilie Todesopfer waren dadurch zu beklagen. Mehr und mehr wurden daher von den US-Amerikanern evakuiert, als die Kampflinie in Stolberg ins Stocken geriet. Die Stadtverwaltung musste den sicheren Rathauskeller räumen, wo nun die US-Militärbehörde ihre Büros einrichtete. Die Kellerfenster waren mit Steinpackungen gesichert und über der Rathaustür wehte nun ‚Stars And Stripes‘, das US-Sternenbanner.
Unterzeichnet hatte diesen Befehl Capt. John S. Roberts, später waren meist Capt. Arthur H. Larkins und Public Safety Officer 1st Lt. Loyal B. Swick zuständig. Die Zusammenarbeit mit Engelbert Regh war nach US-Angaben bereits sehr konstruktiv und so blieb es auch bis 1945. Die Kooperation der Verwaltungen, um möglichst pragmatisch die Not der Bevölkerung, der es an allem fehlte, zu lindern, wurde mehrfach dokumentiert. Umso erstaunlicher, dass die Soldaten selbst in den beschlagnahmten Häusern alles andere als sorgsam mit dem Inventar umgingen. Auf der anderen Seite gab es für die Bürger und ihre Kinder aus Händen von Gis so manche lang vermisste Leckerei (und Extra-Nährwert) in Form von Schokolade, Weißbrot oder anderem.

Akten, Tagebücher und Berichte erzählen viel von der Zeit der letzten Kriegsmonate. Ein Aspekt der großen, ganzen und schrecklichen Kriegsgeschichte ist die Zeit der militärischen Eroberung Stolbergs, denn davon erzählen die Dokumente der Militärverwaltung. Für Eroberer und Eroberte wandelte sie sich in glücklicher Wendung zu einer Befreiung, die schon einige 1944 fühlten. Neun Monate, bis Mai 1945, blieb die US-Militärverwaltung in enger Tätigkeit mit den Geschicken Stolbergs verknüpft. Die für Frühjahr 2020 geplante Gedenkveranstaltung zum Jubiläum von 75 Jahren Frieden mit Darstellung lebendiger Geschichte der Zeit fiel (vorerst) der Pandemie zum Opfer, die wiederum eine große Herausforderung unserer Zeit ist. Nicht die folgende Britische und Belgische Besatzung, nicht die Französisch-Belgische Besatzung Stolbergs nach dem Ersten Weltkrieg war so nah und eng verknüpft wie die der US-Einheiten, die in Stolberg gekämpft, gelebt, verwaltet und gestaltet hatten und wie keine im direkten Handeln mit der Stadtverwaltung wirksam wurde und sich daher im Archivgut nachvollziehen lässt.

Foto © Stadt Stolberg