Bis 19. Juni 2023 werden rund 100.000 Pilgerinnen und Pilger zur Aachener Heiligtumsfahrt erwartet. Bei strahlendem Sonnenschein und einer beeindruckenden Atmosphäre verehrten am ersten Wochenende bereits rund 15.000 Menschen die Heiligtümer.

Christus und den Glauben neu zu entdecken, aber auch sich selbst zu finden – dazu fordert das Leitwort der Heiligtumsfahrt heraus. Welches Bild haben Christen von Jesus? Diese Frage rückt in den Mittelpunkt. Damit verbunden ist aber auch die Frage wie Menschen heute gesehen werden wollen und wie sie sich selbst darstellen – besonders im Internet und in Sozialen Medien. Ständig veränderte Profile zeigen, dass sie sich oft anders darstellen, um entdeckt und gesehen zu werden. Auf der anderen Seite ist es heute notwendig, die Identität von Menschen immer mehr zu überprüfen. Identität und Wahrhaftigkeit gehören deshalb auch zu den meist geforderten Charaktereigenschaften von Stars, Politikern und Vertretern der Kirchen.

Seit über 660 Jahren kommen Menschen als Pilger nach Aachen zur „Heiligtumsfahrt“. Ihr Ziel ist die Verehrung von vier Reliquien, die seit der Zeit Karls des Großen als Schatz im Aachener Dom aufbewahrt werden. Der Geschichte nach erhielt Karl die Reliquien um das Jahr 800 n.Chr. als Geschenk aus Jerusalem. Seit 1349 werden die Reliquien alle sieben Jahre den Gläubigen aus dem europäischen Raum und aus aller Welt gezeigt und dazu für den Zeitraum von zehn Tagen aus dem goldenen Marienschrein im Aachener Dom entnommen.

Marienschrein
Erhebungsfeier

Vier Tuchreliquien
Die Reliquien, das sind alte Stoffe, die bezeichnet werden als: das Kleid Marias aus der Nacht, in der Jesus geboren wurde, die sogenannten Windeln Jesu, mit denen Maria dem Kind Schutz gab, das Tuch, in das man den Kopf des heiligen Johannes des Täufers nach der Enthauptung barg sowie das Lendentuch Jesu, das er am Kreuz getragen haben soll.

Für viele Christen ist die Heiligtumsfahrt seit jeher die Gelegenheit, Gemeinschaft der Gläubigen zu erleben und Glauben neu zu erspüren. Die vier Aachener Reliquien werden dabei als Zeichen der Erlösung durch Jesus Christus gesehen. Für alle Pilger, die nach Aachen kommen, war und ist die Frage nach der Echtheit der Reliquien dabei nie von Bedeutung. 

Mehr als 100.000 Pilger werden auch 2023 den Weg nach Aachen als Weg zum Glauben gehen und das Gemeinschaftserlebnis mit anderen Gläubigen in Aachen finden. Gottesdienste im Dom und auf dem Katschhof laden dazu ebenso ein, wie das umfangreiche Veranstaltungsprogramm.

Die Heiligtumsfahrt 2023 steht unter dem Leitwort „Für wen haltet ihr mich“ (Mt 16.15). Es ist die Frage an alle Christen, wie sie Jesus sehen. Aber es geht nicht nur um das Christusbild, sondern auch darum, wie Menschen heute gesehen werden wollen und wie sie sich darstellen.

Erhebungsfeier im Dom

Eröffnet wurde die Pilgerfahrt mit de Erhebungsfeier im Dom. Donnernd tönen die Hammerschläge in die Stille des Aachener Doms: Es ist der Moment bei der Erhebung der Heiligtümer, bei dem alle mitzählen:
Wie viele Schläge braucht der Goldschmied, um den Bügel des Schlosses am Marienschrein zu öffnen? Wie viele Schläge, bis die Heiligtümer – das Kleid Mariens, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch des heiligen Johannes des Täufers und das Lendentuch Jesu – den Menschen wieder gezeigt werden
können?

Genau 29 Hammerschläge sind es bis der Aachener Gold- und Silberschmied Thomas Zintzen das Schloss geöffnet hat. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer haben zuvor die Unversehrtheit des Schlosses festgestellt.

Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Domschatzkammer, entnimmt anschließend die vier Heiligtümer dem Marienschrein, um sie an das Domkapitel zu übergeben. Die Heiligtümer sind sorgfältig mit farbigen Seidenstoffen umhüllt, die mit Wachs versiegelt sind. Die Unversehrtheit dieser Siegel überprüfen
Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer.
Anschließend packen jeweils zwei Schwestern von vier Aachener Ordensgemeinschaften die Reliquien in der Sakristei aus. Dann werden sie zum ersten Mal nach neun Jahren den Gläubigen zur Verehrung gezeigt.

2500 Menschen im Aachener Dom und auf dem Katschhof verfolgen die Erhebungsfeier live, ungezählte weitere im Live-Stream von Domradio.de. Der Ritus der feierlichen Erhebung beginnt mit der nach altem Brauch von Dompropst Rolf-Peter Cremer an Bischof Dr. Helmut Dieser ausgesprochenen Bitte, im Namen des Domkapitels und der Stadt Aachen die Tür des Marienschreins öffnen zu dürfen.

Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser

In seiner Predigt ruft der Aachener Bischof dazu auf, Jesus bei der
Heiligtumsfahrt zu entdecken. „Unsere vier Aachener Heiligtümer helfen uns,
zu entdecken, worauf es ankommt, denn diese Heiligtümer spannen den
gesamten Bogen unserer menschlichen Existenz auf“, betont er bei der
Erhebungsfeier. „Sie zeigen uns, wer Christus ist und wer wir für ihn sind.“
Der Reiz der Einladung „Entdecke mich“ liegt nach Ansicht von Dieser darin,
selbst von Jesus gefunden zu werden. Und das geschehe, wenn der Mensch
zum Glauben an ihn komme. „Wir Aachener freuen uns auf viele Menschen,
die auch in diesem Jahr 2023 wieder der Einladung folgen und in unsere Stadt
kommen werden wie Unzählige vor ihnen alle sieben Jahre seit 1349!“, betont
der Bischof. „Wer noch unentschlossen ist, möge sich anstecken lassen von
diesem faszinierenden Geschehen: Kommen Sie nach Aachen, lassen Sie sich
anrühren von dem Ruf: Entdecke mich!“

Informationen unter www.heiligtumsfahrt2023.de.

Fotos © TOP AACHEN