Bereit, sein Leben zu riskieren, ging der Fotograf Franz Schensky 1912 bei stürmischer See an Bord eines Bootes, um „sein“ Helgoland mit der perfekten Welle abzulichten. Schensky gelang nur eine einzige Aufnahme: „Helgoland bei schwerer See“, sein wohl berühmtestes Werk. Während er das Bild schoss, lag er seekrank auf dem Bootsboden. Nur wer das weiß, versteht die starke Untersicht des Bildes, die einen mitten ins Geschehen transportiert. Die Geschichte hinter dem Bild.

Eine Familie im Auto: Wer kann schon ahnen, dass dieses scheinbar harmlose Porträt ein tragisches Abbild von Elend und Hoffnungslosigkeit ist? Die obdachlose Familie, die die amerikanische Fotografin Mary Ellen Mark für das Life Magazin begleitete, ist schwer gezeichnet von Drogen und Alkohol. Zu viert leben und schlafen sie in ihrem Auto, das weder Fenster noch Motorhaube hat. Pitbull Runtley ist das einzige „Statussymbol“, das der Familie noch geblieben ist, sagt der Vater.

Als besorgniserregende Blicke in die Zukunft sind die Arbeiten des isländischen Fotografen Ragnar Axelsson zu verstehen. Als Chronist der Landschaft erzählt er in seinen Bildern Geschichten vom Leben und Überleben jener Menschen, die den Klimawandel aus nächster Nähe erfahren. Den Bewohnern der Arktis ein Gesicht zu geben, ihre Geschichten festzuhalten, ehe es zu spät ist – darin sieht Axelsson mittlerweile seine Hauptaufgabe.

Anhand von 40, teils ikonischen Fotografien aus dem Zeitraum 1912 bis 1997 aus der Fotosammlung des Ehepaars Karsten und Christiane Fricke erzählt Kuratorin Sarvenaz Ayooghi Geschichten, die uns verborgen geblieben wären und eine neue Perspektive eröffnen. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, aber Worte können das Sehen verändern, es beeinflussen und eine Interpretation schlagartig umkehren. Was passierte hinter der Kamera? Was geschah mit dem Bild, nachdem es gemacht wurde? Es gibt ein Davor und ein Danach, eine Vielzahl von Momenten, die ein Foto zum Ausdruck bringt.

In der Ausstellung werden die Arbeiten von 26 Fotografinnen und Fotografen präsentiert, unter anderem von Ragnar Axelsson, Hermann Claasen, Rosemarie Clausen, Bruce Davidson, Bettina Flitner, Leonard Freed, Barbara Klemm, Volker Krämer, Robert Lebeck, Mary Ellen Mark, Stefan Moses, Hilmar Pabel, Engelbert Reineke, Franz Schensky, Toni Schneiders und Otto Steinert.