In Corona-Zeiten kommt die Kunstpause digital nach Hause. Jeweils dienstags um 13.00 Uhr wird ein Video online gestellt, in dem die Kuratorinnen Wibke Birth, Dr. Dagmar Preising und Sarvenaz Ayooghi sowie Kurator Michael Rief in knapp zwei Minuten erstaunliche Werke erklären. Viel Spaß beim Zuschauen und Zuhören!

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DI, 05.10., 13.00 UHR @SUERMONDTLUDWIG

Do It Yourself – Patchworking Dürer

Lange Zeit ein Rätsel der Forschung war die sogenannte Kreuzigung im Umriss. Ein Druck, von dem nur fünf Abzüge erhalten sind. Erstaunlich wenig für ein gedrucktes Werk Albrecht Dürers, dessen qualitätsvolle Druckplatten eine wesentlich höhere Auflage an Drucken ermöglichten. Hinzu traten eine Reihe von Ungereimtheiten im Bildaufbau, die daran zweifeln ließen, dass es sich tatsächlich um ein Werk des großen Renaissance-Stars handelt. Heute wird der Druck einem Antwerpener Stecher zugeschrieben und dem Blatt, seiner Komposition und Dürers Anteil daran wird auf den Grund gegangen.

Mit Wibke Birth

DI, 12.10., 13.00 UHR @SUERMONDTLUDWIG

Johann B. J. Bastiné (1783-1844):

Porträt der Familie Neuß, Öl auf Leinwand, 1842

Das Gemälde der Familie des Aachener Nadelfabrikanten Hermann Josef Neuß und seiner Frau Wilhelmine, das 1842 anlässlich ihrer Silberhochzeit entstanden war, führt die Betrachter*innen in die ferne Welt des Biedermeier, in der die Privatsphäre der Menschen im Vordergrund stand. Man zog sich in die Häuslichkeit

zurück, um sich vor der rauen Wirklichkeit zu schützen. Familien- und Freundschaftsbildnisse waren in dieser Zeit sehr beliebt. Bei dem heutzutage eher wenig bekannten Maler Bastiné, der aus Leuven stammte, ab 1811 in Aachen lebte und hier eine Zeichenschule gründete, handelt es sich um einen damals sehr beliebten Porträtmaler, der zahlreiche Persönlichkeiten der Aachener Gesellschaft malte. Das Gruppenbild des Ehepaars Neuß mit den zugehörigen 14 Kindern verdeutlicht das hohe künstlerische Vermögen dieses Malers und erweist sich zugleich als ein charakteristisches Beispiel für das Familienverständnis im Biedermeier.

Mit Dr. Dagmar Preising

DI, 19.10., 13.00 UHR @SUERMONDTLUDWIG

„Haut ab!“

2 jüdische Beschneidungsmesser (Mohel-Messer), römisch-deutsches  Reich, Ende 17. Jhd./um 1700 bzw. um 1730 – 1770, Eisen, Silber, Koralle, Perlmutter und Horn bzw. Eisen und Silber, erworben 1881 mit der Sammlung Franz Bock, Aachen 

Die Aachener Bestecksammlung, immerhin die zweitgrößte in Deutschland, hält immer noch Überraschungen bereit: Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Tafelgeräte im Rahmen des Bestandskataloges  2009 – 2011 konnte die Funktion der beiden Messer nicht geklärt werden. Durch Zufall wurde deren Zweck offenbar: es handelt sich um seltene jüdische Beschneidungsmesser. Die Handgriffe dieser Gerätschaften können aus vielfältigen, teils sehr kostbaren Materialien bestehen (z.B. Bernstein, Silber, Gold, Koralle), weisen manchmal auf dem Heft oder der Zwinge hebräische Schriftzeichen auf und zeigen durchaus auch figürliche Darstellungen (Opferung Isaacs, Kindspate [Kvater] oder Sandak [2. Pate]), in unserem Fall den Sündenfall durch Adam und Eva sowie den jüdischen Held  Samson mit den Stadttoren von Gaza.  Die Beschneidung (Berit Mila), die an allen jüdischen Knaben  zwingend am 8. Tag nach der Geburt vollzogen werden muss,  ist das wichtigste  zu befolgende religiöse Gebot. Das Ritual, das vom Stammvater Abraham  eingeführt wurde, repräsentiert und festigt den Bund der Juden mit Gott. 

Mit Michael Rief (siehe Foto)

DI, 26.10., 13.00 UHR @SUERMONDTLUDWIG

„Rübe ab!“

Ostmitteleuropa (histor. Ungarn, Ostösterreich?), 17. Jh., Weichholz, bunt bemalt, farbige Glasaugen eingesetzt

Im Bestand des SLM befindet sich ein ausdrucksstarker, lebensgroßer,

holzgeschnitzter und lebensecht bemalter Kopf eines schnurrbärtigen türkischen Kriegers oder Herrschers.  Die farbig bemalten, eingesetzten Glasaugen verstärken noch die suggestive Kraft und die Faszination, die von diesem Haupt ausgeht. Die barhäuptige Ausführung und Reste von Eisenstiften legen nahe, dass ehemals eine reale Kopfbedeckung aus Stoff, sicherlich ein kunstvoll geschlungener Turban,  vorhanden war. Man möchte einerseits eine Ähnlichkeit mit dem gemalten Porträt eines der berühmtesten  osmanischen Sultane, nämlich

Süleyman dem Prächtigen (1494/96-1566), feststellen. Eine Verwendung des Kopfes als Teil einer hölzernen Gliederpuppe, die mit einer (erbeuteten?) prachtvollen Rüstung  bekleidet und in einer Kunst- und Wunderkammer präsentiert wurde, ist eine reizvolle Hypothese. Das andere Erklärungsmodell  ist weniger freundlich:  Es könnte sich um einen sogenannten Quintain- (Quintana)-Kopf handeln, der für raue Schau- und Unterhaltungsturniere auf einem hölzernen Rumpf mit zwei waagerecht ausgestreckten, waffentragenden  Armen  befestigt war. Traf die Lanze die Stirnmitte, klappte das Haupt am Halsscharnier nach hinten.

Mit Michael Rief

Fotos im Anhang

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Suermondt-Ludwig-Museum

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Tel.: +49 241 47980-40

Fax: +49 241 37075

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Das Suermondt-Ludwig-Museum ist der „Salon“ der Aachener. In einem prachtvollen Stadtpalais aus dem 19. Jahrhundert sind kostbare Sammlungen untergebracht. Herausragend ist die mittelalterliche Skulpturensammlung, eine der bedeutendsten in Deutschland. Auch holländische Meister der Barockzeit sind hier exzellent vertreten. Dazu gibt es eine kleine, feine Sammlung von Gemälden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, ein Kupferstichkabinett und eine riesige Kollektion kunsthandwerklicher Stücke.

Informationen unter www.suermondt-ludwig-museum.de

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